Sprühkreide versetzt Berliner Polizei in helle Aufregung

Am 30. April 2020 verließen wir, Betti und Franzi, gegen 21:30 Uhr den LinksTreff, Malplaquetstr. 12 in Berlin Wedding, um anlässlich des 1. Mai mit Sprühkreide, die nachweislich abwaschbar ist, politische Slogans zu sprühen. Die Aktion ist von der Partei DIE LINKE. Berlin geplant worden. Die Partei stellte den Basisorganisationen eine Schablone mit der Aufschrift „System relevant: Sichere Jobs! DIE LINKE.“

Nachdem wir drei bis vier Mal auf dem Platz vor dem LinksTreff (Ecke Malplaquetstr./Utrechter Str.) bis zur Maxstraße diesen Spruch auf den Asphalt gesprüht haben, entfernten wir uns schlendernd Richtung Schulstraße. Plötzlich hörten wir hinter uns Lärm. Wir drehten uns um und augenblicklich rannten acht Polizisten in voller Montur (allerdings ohne Helm) auf uns zu, wir blieben stehen, die Polizisten stoppten sehr dicht vor uns, wobei wir beinahe umgerannt worden sind. Dicht gedrängt fanden wir uns im „Roboter-Mob“ wieder – keiner der Beamten trug einen Mundschutz oder Handschuhe zu ihrem eigenen oder unserem Schutz.

Wir mussten uns an einen nahegelegenen Zaun stellen und unsere Taschen durchsuchen lassen sowie unsere Personalausweise abgeben. Bei der Taschenkontrolle fanden sie einen Mitarbeiterausweis einer Abgeordneten der Linksfraktion im Bundestag, den sie zunächst für Abgeordnetenausweis hielten, woraufhin sich unter den Polizisten Einschüchterung breit machte und sich die anfangs aggressive Stimmung uns gegenüber etwas legte. Uns wurde die Schablone und die Sprühkreide abgenommen und getestet, ob die Kreide wirklich abwaschbar ist. Siehe da, die Packung, auf der groß „temporary“ steht log nicht.

So warteten wir rund 20 Minuten am Zaun, ein Polizist leuchtete uns an, zwei observierten und einer bewachte uns. Lange dauerte es bis einer der Polizisten den Spruch auf unserer Schablone lesen konnte, offensichtlich aber nicht verstand. Wir erklärten, warum wir anlässlich des 1. Mais unsere Forderung nach sicherer Arbeit für alle sichtbar machen und dass dies auch seinem Interesse sei. Während unserer erkennungsdienstlichen Behandlung bzw. Festsetzung am Zaun erkannten wir den „besorgten“ (an seiner Attraktivität leicht identifizierbaren) Bürger, der die Polizei gerufen hatte. Diesen hatten wir schon am Platz gesehen, auf dem normalerweise unsere Weddinger Nachbarn und ein paar zugezogene Hipster aus aller Welt chillen. Der besorgte Bürger und seine weibliche Begleitung passten nicht ins Bild. Der Knopf in seinem Ohr erübrigte jede weitere Spekulation. Er blieb nicht der einzige Polizist, der uns an diesem Abend rund um den Linkstreff observierte.

Der erhobene Vorwurf gegen uns: Sachbeschädigung. Angesichts der Tatsache, dass es sich um abwaschbare Sprühkreide handelte, ist dieser Vorwurf mit mitnichten haltbar. Wie schon bei anderen Vorfällen in den letzten Wochen wird wiederholt offensichtlich das derzeitige Versammlungsverbot instrumentalisiert, um jede politische Aktion im Keim zu ersticken. Weder in den Gesprächen noch im Vorwurf gegenüber uns ging es um die Maßnahmen zum Schutz vor Corona. Die äußerst aggressive Stimmung der Polizisten stand in keinem Verhältnis zu unserer legalen und friedlichen 1.Mai Aktion. Offensichtlich wurden den Polizisten vor ihrem Einsatz eingeheizt, um insbesondere gegen linke systemkritische Positionen und Menschen mobil zu machen. In unserer Weddinger Nachbarschaft ist dies mitnichten gelungen, uns begegnete weiterhin Solidarität.