WIDER DEN SANKTIONSTERROR

Berlin, den 23. April 2012

Persönlicher Appell an alle Abgeordneten des deutschen Bundestages

 Es gilt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland!

 

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

 

am Donnerstag, den 26. April 2012 werden Sie über einen Antrag der Fraktion der Partei dieLINKE abzustimmen haben, der für Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von existentieller Bedeutung ist. Es geht um die Drucksache 17/5174 in der die Abschaffung der Sanktionen im SGB II & die Abschaffung der Leistungseinschränkungen im SGB XII gefordert werden.

Ich will mich in diesem Schreiben nicht auf eine sachliche Beweisführung bezüglich der Grundgesetzwidrigkeit der gesamten Hartz-Gesetzgebung einlassen. Sie wissen als gebildete & informierte Person, als demokratisch gewählte Vertreterin oder demokratisch gewählter Vertreter ihres Wahlkreises ganz genau, daß das SGB II gegen die Artikel 1, 2, 6, 11, 12, 13, 19 & 20 des Grundgesetzes verstößt, daß aufgrund dieses gesetzlich angeordneten Verstoßes gegen die Menschenwürde & das Sozialstaatsgebot eine große Minderheit der Bevölkerung (Erwerbslose & prekär Beschäftigte) vom Schutz des Grundgesetzes ausdrücklich ausgeschlossen ist.

 

Ich bin weit davon entfernt, diesen vorsätzlich per Gesetz angeordneten Verfassungsbruch auf die Ebene einer politischen Meinungsverschiedenheit zu heben, auf welcher die Angelegenheit entweder so oder dann doch ganz anders bewertet werden dürfte. Wo vorsätzlich & ohne Not, Menschen beschädigt & an Leib & Leben bedroht werden dürfen, hört die Meinungsfreiheit in einem demokratischen Rechtsstaat & ein solcher ist die Bundesrepublik Deutschland trotz der Einführung der Agenda 2010, auf.

 

Sie, Frau Bundestagsabgeordnete, Sie, Herr Bundestagsabgeordneter wissen ganz genau, gleich welcher Fraktion Sie angehören, daß ein Mensch von Hartz IV nicht leben kann, daß nach wie vor ein Minderangebot an Arbeitsplätzen einer Mehrheit von Erwerbslosen gegenübersteht & daß mit der Möglichkeit der Sanktion erstmalig wieder, seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, die Existenz eines Menschen in unserem Lande von einer staatlichen Behörde ohne Not bedroht werden darf & auch bedroht wird. Dieses muten wir nicht einmal verurteilten Straftäterinnen & Straftätern zu, die im Schutze der Strafanstalten ganz selbstverständlich Obdach, Nahrung, Teilhabe & Arbeit erhalten, wie es ihnen in einem demokratischen Rechtsstaat zusteht.

 

Der Ihnen am 26. April 2012 zur Abstimmung vorgelegte Antrag 17/5174 ist also weniger eine politische Auseinandersetzung um den Sinn & Unsinn von Sanktionen, sondern es geht in tiefem, rechtsstaatlichem Sinne darum, zu entscheiden, ob das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für alle Menschen Gültigkeit besitzt, oder ob einer bestimmten Minderheit unserer Gesellschaft der Schutz des Grundgesetzes weiterhin versagt bleibt.

Wie dieser Antrag politisch & juristisch im Sinne des Grundgesetzes abzustimmen wäre, liegt also auf der Hand. Doch das Verfassungstreue kein Markenzeichen der heutigen Politik mehr ist, beweißt allein schon die Tatsache, daß das menschenverachtende Hartz-Regime überhaupt in unserem Lande installiert werden konnte.

 

Der Druck in den Fraktionen auf die einzelne Abgeordnete & den einzelnen Abgeordneten ist immens, daß weiß ich sehr gut. Auch die Vorstellung, daß die Mehrheit der Volksvertreterinnen & -vertreter nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen könnte, erscheint mir zu entsetzlich, als das ich hier eine Wahrscheinlichkeit annehmen möchte. Es hat somit Gründe, wenn sich Abgeordnete vorsätzlich, in genauer Kenntnis ihres Tuns gegen die Artikel des Grundgesetzes entscheiden.

 

Ich appelliere daher an Sie, sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter bei Ihrer Entscheidung am 26. April 2012 ausschließlich Ihrem Gewissen zu folgen, so wie es der Artikel 38, Absatz 1 Grundgesetz vorschreibt. Verweigern Sie sich Fraktionszwängen. Vielleicht bedenken Sie auch, was die Geschichte unseres Landes immer wieder lehrt & weiterhin lehren wird: Zwangs- & Repressionssysteme kollabieren plötzlich & unmittelbar, sodaß heute noch unliebsames Verhalten oder Meinen über Nacht zu aufrechtem, geradlinigem & der Gesellschaft bei der Überwindung von Ungerechtigkeiten zuträglichem Handeln verwandelt ist.

 

Es ist demokratischer Konsens in diesem Lande, daß das Grundgesetz bindend ist für jede Staatsbürgerin & jeden Staatsbürger. Das Grundgesetz regelt unser aller Zusammenleben in dieser Gesellschaft. Ihre Gewissensentscheidung am 26. April 2012 besteht deshalb ausdrücklich nicht darin, sich tagesgeschäftlich für oder gegen etwas zu entscheiden, sondern es geht darum, sich als Bundestagsabgeordnete oder als Bundestagsabgeordneter zum Grundgesetz zu bekennen, wie es ihre Pflicht ist. Stehen Sie hinter dem Grundgesetz, dann können Sie nicht anders, als vorbehaltlos & aufrecht für diesen Antrag zu stimmen, dann stimmen Sie für die Abschaffung der Sanktionen im SGB II & für die Abschaffung der Leistungseinschränkungen im SGB XII.

 

In diesem Sinne,

mein Appell an Sie,

 

ein, in demokratischem Rechtsstaat aufgewachsener & sozialisierter Bürger

 

Thomas Suckow

 

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