JobCenter vermitteln in sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse

Bundesagentur für Arbeit ignoriert Sozialgerichtsurteile

Presseerklärung von Werner Schulten vom 17.01.2012

Am 19.11.2011 urteilte das Sozialgericht Berlin in einer unanfechtbaren Entscheidung u.a.: „Für das Jahr 2011 ist für Berlin bei einer Vollzeitbeschäftigung eine monatliche Bruttovergütung von weniger als 1058 EUR (netto: 815 EUR) sittenwidrig.“ Wie eine Nachfrage beim JobCenter Berlin-Mitte ergab, werden nach wie vor Vermittlungen in AGHE-Maßnahmen vorgenommen, die bei einer 38,5-Stunden-Woche mit 900 Euro brutto vergütet werden. Die Arbeitsverträge werden vom JobCenter geprüft und für gut befunden.

„Bereits im September 2010 hatte das Sozialgericht Berlin entschieden, dass für Berlin eine Vergütung unter 1.035 Euro bei einer Vollzeitbeschäftigung für 2010 sittenwidrig sei. Ungeachtet dieser gesetzlichen Vorgaben wurden nach Auskunft des JobCenters Berlin Mitte alleine dort 2.600 Personen in AGHE-Jobs vermittelt, ein großer Teil davon zu 900 Euro brutto.“ erklärt Werner Schulten, Mitglied des Parteivorstandes der LINKEN und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV der Partei. „Es ist ein Skandal, wie die Bundesagentur mit rechtskräftigen Urteilen der Sozialgerichte umgeht. Aber noch skandalöser ist für mich die Tatsache, dass eine Behörde der Bundesrepublik Deutschland kein Problem damit hat, sich sittenwidrig zu verhalten, denn die Vermittlung in solche Arbeit unter Androhung von Sanktionen ist dies allemal.“

Schulten weiter: „In welcher Bananenrepublik leben wir eigentlich, wenn staatliche Institutionen auf Gerichtsurteile pfeifen und sich ungeniert über Jahre sittenwidrig verhalten können. Durch die Androhung von Sanktionen und Leistungskürzungen, also der Gefährdung ihrer nackten Existenz, werden Menschen gezwungen, sittenwidrige Verträge zu unterschreiben. Die Unternehmen, die diese Angebote annehmen, lachen sich ins Fäustchen. Steht doch in ihren Arbeitsverträgen, dass sie automatisch enden, wenn die Bezahlung durch die Arbeitsagentur ausläuft. Ehrliche Unternehmer geraten so unter massiven Druck, weil sie gegen diese Angebote mit rein von der Öffentlichkeit finanzierten Lohnsklaven natürlich nicht ankommen können. Im Gegensatz zu anderen Arbeitsförderungsmaßnahmen müssen diese Arbeitsverhältnisse weder zusätzlich noch im öffentlichen Interesse sein. Aus den Anweisungen der Bundesagentur zu Arbeitsgelegenheiten Entgeldvariante (AGHE): „Die Arbeiten müssen nicht zwingend im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich, sondern können auch erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sein. Sie lassen eine offene Ausgestaltung zu.“  Als besonderes Schmankerl heißt es dort auch noch: „Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante begründen ein Arbeitsverhältnis ohne Versicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung.“
Ein Land, in dem Sittenwidrigkeit zum Alltag staatlichen Handelns gehört, hat bereits alle Grenzen humanistischer Gesellschaftsformen überschritten.“

PDF zum Herunterladen: Sozialgericht Berlin zu Sittenwidrigkeit Urteil v. 01.09.2010
PDF zum Herunterladen: Sozialgricht zu sittenwirdigen Beschäftigungsmaßnahmen vom 14.09.2011

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